CDU und SPD lassen Fernwärmekunden das Haushaltsloch stopfen

17.09.2024 

Bürgermeister, CDU und SPD haben dem Beschluss des HFA zugestimmt (23:22), dass 75% der Gewinne der Stadtwerke, d.h. 1,5 Millionen €, an die Stadtkasse gezahlt werden.
Die Begründung durch den Bürgermeister war auch einfach: Die Stadt bräuchte das Geld “jetzt” für den Haushalt. Hier wird also das Haushaltsloch gestopft, um vor der Kommunalwahl 2025 den Nothaushalt und den Unmut der Wählerschaft zu vermeiden.
Bei der Gewinnausschüttung werden aber einseitig die Fernwärmekunden zur Kasse gebeten, so ist Fernwärme absolut nicht attraktiv.
Ursprünglich waren über 4,5 Millionen € Überschuss durch die Sparte Fernwärme im Ratsinformationssystem veröffentlicht worden, der durch spätere Spartenumrechnungen auf etwa 2 Millionen heruntergerechnet worden war. Somit kann der Gewinn der Stadtwerke von 2 Mio. € auf die Fernwärme zurückgeführt werden.

Die aktuelle Situation der Fernwärme und Stadtwerke verbietet aus Sicht der BmU diese Gewinnausschüttung. Riesige Investitionen kommen für die Dekarbonisierung und für die Sanierung des maroden Netzes auf die Stadtwerke zu, aktuell geht man mindestens von 110 Mio. € aus.
Auch besteht zudem das Risiko, dass bei Erfolg der Sammelklage des Bundesverbraucherschutzverbandes am OLG Hamm große Rückzahlungsforderungen auf e.on und in der Folge auch auf die Stadtwerke zukommen könnten.
Die BmU hatte schon für 2007 die vorbereitete Übernahme des Fernwärmenetzes gefordert, damals verhallte dies von allen anderen Fraktionen ungehört.
Die Übernahmeentscheidung 2021 – auch mit den Stimmen der Grünen - war dann aber übereilt, die Stadtwerke waren nicht darauf vorbereitet, ein Konzept für die Dekarbonisierung fehlte. Dabei wurde sogar ein Klageverfahren gegen e.on zurückgezogen, welches die Stadt bereits 0,5 Mio. € gekostet hatte und das in einem ersten Teilurteil sogar positiv aussah. Die Stadt verzichtete somit nicht nur auf die Gewinne der Fernwärme seit 2017 und auf Rücklagen bei e.on, sondern musste sogar einen Kaufpreis entrichten, deren Höhe ich nicht veröffentlichen darf.
Die Übernahme hat auch nicht die versprochenen Verbesserungen im Vergleich zu e.on gebracht, auch die Stadtwerke nutzen weiterhin die alte Preisformel, die Gegenstand der Klage des Verbraucherschutzverbandes ist. Die von der BmU angeregte Geothermie, ist bislang mehr als stiefmütterlich behandelt worden, stattdessen werden neue Erdgas-BHKW beschafft.
Die Situation der Fernwärme bleibt also insbesondere für die Kunden mehr als unerfreulich. Sie zahlen jetzt mit dem durch sie erwirtschaften Überschuss und sie werden die Transformation mit ihren steigenden Grundwert-Kosten bezahlen.
Aus Sicht der BmU gilt es aus Fehlentscheidungen zu lernen und jetzt die richtigen Weichen für faire Preise und für eine ökologisch & ökonomisch sinnvolle Transformation zu stellen. Bernhard Osterwind kritisierte für die BmU im Rat, dass er keine Bereitschaft zum Austausch über Fakten, sondern nur noch einen unsachlichen Schlagabtausch erkennen könne.

Das Thema Fernwärme bleibt heiß.

-Vor der Sitzung hat die BmU nachfolgende Stellungnahmen den Ratsmitgliedern zugestellt und im stadtrat zu Protokoll gegeben::--

"Sehr geehrter Herr Bürgermeister Schultz,
liebe Kolleginnen und Kollegen des Rates,
die Gewinnabführung der Stadtwerke ist, wie wir auch im Aufsichtsrat ausgeführt haben, aus mehreren Gründen falsch.
Den Vortrag von Dr. Lossau, der Ihnen allen persönlich zugegangen ist (Text unten), machen wir auch zum Gegenstand unseres Einwandes und geben auch unsere ergänzende Stellungnahme hier zum Protokoll der Ratssitzung.
Der Entscheid ist von besonderer Bedeutung, denn die Gaspreisentwicklung in Verbindung mit den Preisformeln lässt die Erwartung zu, dass die Gewinne im nächsten Abschluss in den Bereich der Verdopplung der aktuellen Ergebnisse kommen können.
Es handelt sich um eine wegweisende Grundsatzentscheidung für die nächsten Jahre, ob aus den Ergebnissen der Fernwärmesparte Rücklagen für das nun kurzfristig beginnende 111 Millionen Invest in die Dekarbonisierung und Netzerneuerung gebildet werden.
Als wir die Klage gegen E.ON auf Aushändigung der Gewinne ab 2017 (leider haben wir keine Mehrheit für die Kündigung zu 2007 gefunden, was wohl insgesamt inzwischen als kapitaler Fehler insbesondere bei CDU und SPD erkannt sein müsste) einreichten, wurde das damit begründet, dass die Stadtwerke selber für die Kunden Fernwärme günstiger liefern kann als E.ON.
Insbesondere die Gewinne ab 2017 hätten uns einen völlig sorgenfreien Start in ein zukunftsfestes Fernwärmenetz ermöglicht. In aller Heimlichkeit hat der Stadtrat mit übergroßer, überwältigender Mehrheit aber beschlossen, diese Klage zurückzunehmen, das Fernwärmenetz zu kaufen und will nun mit einer Mehrheit (CDU, SPD, Bürgermeister) eine Gewinnausschüttung beschließen, welche den ursprünglichen Invest mit einem Schlag übersteigt.
Bei kartellrechtlichen Überprüfungen war Hochdahl deutschlandweit und landesweit wegen überhöhter Preise auffällig. Genau diese Preise werden linear von den Stadtwerken fortgeführt. Auch die Stadtwerke nutzen wie E.ON monopolartigen Strukturen der Fernwärme in Hochdahl, um höchstmögliche Ergebnisse zu generieren. Damit sollte man dann wenigsten im Interesse der Fernwärmekunden und zum Erhalt der Akzeptanz des Fernwärmeproduktes auch bedacht umgehen.
In Zukunft werden die bisherigen Preise in den Schatten gestellt, wenn man die 111 Millionen Invest noch mal incl. Zinsen vom Kunden bezahlen lassen will. Letzteres kann man nur mit wenigstens einem Teil an liquiden Rücklagen mildern. Die größte Chance einer soliden Finanzierung haben Sie schon mit der Rücknahme der Klage gegen E.ON verspielt.
Wir sollten nicht, wie E.ON das bei seinen Anteilseignern getan hat, Gewinne ausschütten.
Ich füge der Stellungnahme Lossau hinzu:
- Bis zur Aufstellung des Jahresabschlusses wurden keine Rechnungen an die Fernwärmekunden verschickt. Die Erlöserwartung beruht auf einer Schätzung der Wärmeerzeugung minus Netzverluste. Obwohl ja die tatsächlichen Messergebnisse inzwischen vorliegen dürften, sind uns diese nicht bekannt gegeben worden. Wir machen auf das deutlich erkennbare Risiko des Einnahmeausfalls aufmerksam, welches u.a. in höheren Netzverlusten (das Risiko steigt mit dem Alter des Netzes und ist nur ungenau aus einem Schätzwert der Vergangenheit ableitbar) sich ergibt. Nach dem Prinzip des vorsichtig planenden Kaufmanns, hätte man das Risiko mit einer Rückstellung absichern sollen.
- Das Risiko aus möglicherweise unrichtigen Fernwärmepreisen auch als Ergebnis unzureichender Preissteigerungsformeln wird offenbar unterschätzt. Im Wesentlichen geht es um zwei Dinge:
a) Das eingesetzte Betriebsmittel Gas wird gar nicht ausschließlich zur Wärmeerzeugung eingesetzt sondern zu einem ganz erheblichen Teil auch zur Stromproduktion. Lt. Fernwärmeverordnung hätte man aber die Erzeugerstruktur in der Formel abbilden müssen, wozu es im Fall der KWK hinreichende Formelvorschläge aus der Praxis und in der Literatur gibt.
b) Das Marktelement ist in unserer Formel zu gering gewichtet.
c) Das Ergebnis ist u.U. nicht eine Preisverschiebung um ein paar Prozent. Wenn die Formel ungültig ist, sondern sie ist dann u.U. von Anfang an ungültig. Im Risiko stehen dann Arbeitspreise vom Referenzwert
5,1919 ct/kWh zu 2023: 14,62,ct/kWh.
Angesichts der anstehenden Investitionen und notwendigen Sanierungen in die Fernwärme von 111 Mio. EUR sowie den laufenden Reparaturen sollte der Bilanzgewinn vollständig bei den Stadtwerken Erkrath verbleiben.
Es ist fahrlässig, den Bilanzgewinn an die Stadt Erkrath auszuschütten.”
Bernhard Osterwind

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Anlage: Brief von Dr. Hermann Lossau

An den Bürgermeister
der Stadt Erkrath
Herrn Christoph Schultz
Bahnstraße 16
40699 Erkrath
An alle ordentlichen Mitglieder des
Rates der Stadt Erkrath
Sehr geehrter Herr Bürgermeister ,
Sehr geehrte Damen und Herren des Erkrather Stadtrates,
am Dienstag wird der Rat über die Verwendung des Überschusses der Stadtwerke Erkrath 2023 beschließen.
Ich habe den Bericht Bericht von Grant Thornton zum Jahresabschluss 2023 der Stadtwerke Erkrath gelesen und geprüft. Der Prüfungsvermerk folgt formalen gesetzlichen Vorgaben und testiert Bilanz, GuV sowie Lagebericht ohne Mängel. Es fehlt aber eine kritische Würdigung der Übergabe der Fernwärme von E.ON an die Stadtwerke Erkrath und der damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen.
Ich muss daher auf weitreichende Folgen hinweisen:
1. Alle Kundenverträge wurden ohne Veränderungen von E.ON zum 01.01.2023 übernommen. Dieses gilt auch für die bestehende Preisformel der E.ON, die dazu geführt hat, dass die in Hochdahl an die Fernwärme angeschlossenen Bürger zu hohe Preise zahlen. Gutachter wie Werner Siepe, das Bundeskartellamt und die Verbraucherzentralen von NRW und des Bundes haben auf diesen Sachverhalt hingewiesen. Dazu kommt eine Klage beim Landgericht Hamm, die möglicherweise im Ergebnis auch die Stadtwerke Erkrath betreffen wird, weil Rückzahlungen zu viel bezahlter Fernwärmebeträge fällig werden könnten.
Risiko Nr. 1 (sehr hoch): Anpassung der Fernwärmepreise nach unten. Rückzahlung von Beträgen an die Kunden.
2. Die Stadtwerke sind grenzwertig hoch verschuldet. Eine „Verrechnung von Einnahmen aus der Fernwärme“ zur allgemeinen Zins- und Tilgungszahlung (z.B. aus dem Bereich „Strom“) ist hoch problematisch, denn dafür haben die Fernwärmekunden ihre Zahlungen nicht geleistet.
Risiko Nr. 2 (hoch): Mangel an Liquidität zur Bedienung fälliger Kreditverpflichtungen.
3. Bei den Rückstellungen findet sich im Bericht des Prüfers kein ausgewiesener Be-trag für Reparaturen und Erneuerung am völlig maroden Fernwärmeleitungsnetz in Hochdahl. Es wird lediglich auf den Lagebericht verwiesen, nicht auf eine detaillierte Prüfung des Wirtschaftsberichts. Hier ist der Prüfungsbericht mangelhaft.
Marode sind die Leitungssysteme, weil E.ON jahrzehntelang Investitionen zurück-hielt und zunehmende Leitungs- und Energieverluste in Kauf nahm. 2024 wird als finanzieller Aufwand für die Erneuerung des Leitungsnetzes 111 Mio. Euro ermittelt. Nach meiner Auffassung müssten Preisbestandteile im Grundpreis (40 % des Index "Erzeugnisse Investitionsgüterproduzenten" ) als zweckgebunden für Erhaltungsinvestitionen bestimmt sein und auch für diesen Zweck zur Verfügung stehen bzw. mit Liquidität versorgt werden.
Die Stadtwerke haben aber die Fernwärme mit Rohrleitungsnetz mit einer Rücklage von 0 Euro übernommen. E.ON hat den von Erkrather Bürgern für Investitionen angesparten Teil der Rückstellung einfach „kassiert“ und sich bei Übergabe über den außerordentlichen Gewinn gefreut! Dieser Betrag hätte übergeben werden müssen.
Risiko Nr. 3 (sehr hoch): Äußerst knappe Mittel für laufende Reparaturen und Investitionen.
4. Im vergangenen Jahr sind die Einkaufspreise für Energie (Gas) z.T. erheblich gesunken. Die Vorauszahlungen der Fernwärmekunden wurden aber bewusst hoch aus dem Jahr 2023 übernommen. Es kommt daher bereits bei der Wärmerechnung für 2023, die für Ende September 2024 angekündigt wurde, wegen der Fernwärmepreisbremse von 9,5 Cent brutto pro kWh in 2023 zu erheblichen Rückzahlungen an die Kunden, da die Vorauszahlungen in 2023 in aller Regel viel zu hoch angesetzt wurden.
Risiko Nr.: 4 (sehr hoch): Es wird schon im Jahr 2024 zu erheblichen Rückzahlungen an die Kunden kommen. Ich hoffe, dass die dafür vorgesehene Rückstellung auch ausreicht.
Der Gesellschafter muss deshalb hier die Stadtwerke Erkrath eng kontrollieren und im Interesse der Fernwärme-Bürger und Bürgerinnen anweisen, ab sofort die hohen Vorauszahlungen für Fernwärme den gesunkenen Kosten anzupassen.
5. Fazit und im Ergebnis sehr hohes Risiko: In der Sparte Fernwärme wird der Druck durch den Unmut der Bürger, durch Aufsichtsbehörden und durch die anhängige Klage beim Landgericht Hamm (mit dem Ziel der Preiskorrektur nach unten und folgender Erstattung) immer höher. Außerdem ist der Investitionsbedarf – wie geschildert - extrem hoch und zwar sowohl zur dringenden Substanzerhaltung wie auch zur Finanzierung von Zukunftsinvestitionen.
Im Haushalt der Stadtwerke wird also jeder Euro gebraucht.
Die Gewinnabführung der Stadtwerke an den Haushalt – wie im morgigen Beschluss des Stadtrates vorgesehen – mindert den notwendigen Handlungsspielraum der Stadtwerke erheblich. Die Abführung birgt zudem das hohe Risiko, dass dann zwingend notwendige Aufgaben nicht ausgeführt oder aufkommende Jahre gestreckt werden müssen. Niemand will das! Bürger werden noch mehr verunsichert. Klagen sind zu befürchten, weil der Stadtrat wohl wissend die Stadtwerke Erkrath in eine Situation noch knapperer Mittel bringt. Unverantwortlich!
6. Ich mache hiermit jedem von Ihnen deutlich, dass dem Erkrather Stadtrat eine außerordentlich hohe Verantwortung für die weitere Sanierung und Entwicklung der Fernwärme in Erkrath zukommt. Bitte sagen Sie später nicht, niemand hätte Sie gewarnt. Ich habe es hiermit getan. Bedenken Sie das auch für den Fall, dass die Beschlüsse des Rates und damit ihre persönliche Mitverantwortung einmal als Beleg bei gerichtlichen Auseinandersetzungen herangezogen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Lossau