Erkrath droht ins „Wachkoma“ zu fallen

Die Frage ist nur noch:

Wann?

Es ist schon gespenstisch.

Dieselben Ratsmitglieder, die heute die mangelhafte Finanzierung durch Bund und Land beklagen, haben sich vor 3 Tagen für Wahlprogramme engagiert, die für hohe Einbußen in Erkrath bei der Einkommensteuer und/oder Grundsteuer und/oder Gewerbesteuer sorgen. Allein der Einkommensteueranteil beträgt in Erkrath 31 Mio. €. Nur 10 % weniger sind
3,1 Mio. weiterer Verlust für Erkrath.

Als die Neue Stadt Erkrath am 1.1.1975 gegründet wurde, betrug die Verschuldung knapp 37 Mio. DM (kamerale Haushaltsführung).

Eine Verschuldung, die als erdrückend hoch empfunden wurde. Da war bei den Einnahmen noch das Gewerbegebiet Bruchhausen eingepreist. Fast alle darauf folgenden Bürgermeisterkandidaten versprachen, die Verschuldung trotz Aufgabe des Gewerbegebietes zurückzufahren.

2021 wies der Haushalt 36 Mio. € Investitionskredite (doppische Haushaltsführung) auf.


Seit 10 Jahren nahm die Verschuldungsbereitschaft in Erkrath rapide zu. Geradewegs in die Pleite, wie die Grafik oben zeigt.

Exemplarisch sind in der Grafik die Werte der Investitionskredite und des Eigenkapitals nach Ausbuchung der Sonderbelastungen Ukraine und Covid-19 gegeneinander aufgetragen.

• 2025 sind die Investitionskredite (+ 77 Mio. €) erstmals größer als das Eigenkapital.
• 2028 sind die Investitionskredite doppelt so hoch wie das Eigenkapital.
• Dies trotz hohem Niveau der Liquiditätskredite (2025 soll das Limit auf 130 Mio. € steigen).
• Dies trotz Rekordeinnahmen bei der Gewerbesteuer.
• Dies trotz Infrastrukturmängeln bei Radwegen, Straßen, Bürgersteigen, Grundschulen, Kitas und Bürgerhaus.

Einzige buchhalterische Gegenmaßnahme ist die Wiedereingliederung des Eigenbetriebes Abwasser, um an dessen Eigenkapital zu kommen.

2010 beginnend (Quelle auf Seite 6)  hat die BmU diesen Rat jedes Jahr gemahnt, in die freiwillige Haushaltssicherung (Einnahmen = Ausgaben) zu gehen. Auch die Kommunalaufsicht hat diese Position unterstützt. Vergeblich..

15 Jahre später muss man sich fragen: Ist Haushaltssicherung überhaupt noch möglich?

Der Kämmerer sagt: Nein. Diese Position wird durch die Fakten mehr als unterstützt:

Um nicht im Jahr nach der Kommunalwahl in die pflichtige Haushaltssicherung zu geraten, (zwei mal mehr als 5% Abschreibung auf die Allgemeine Rücklage -§76 GO NRW-) werden mehrere Buchungstricks angewendet.

2025 soll ein Verlustvortrag von 4,9 Mio.,
2026 von 8,1 Mio. €,
2027 von 6,3 Mio. €,
2028 von 9,5 Mio. €
vorgenommen werden.

Ab 2028 muss der drei Jahre zuvor vorgetragene Verlust aber wieder eingestellt werden. In der Zukunft "holt uns der Verlustvortrag also wieder ein“.

Weiterhin wird eine um 2% angesetzte "Globale Minderausgabe" als „Buchungstrick“ (§ 79 Abs. 3 Satz 2 GO NRW) angenommen.

• Der Verlustvortrag übersteigt ganz alleine (!) die 5 % Hürde (§75 GO) ab 2029!

• 2028 werden alleine für Zinsausgaben 8 Mio. € (auch Überschreitung der 5% Hürde) kalkuliert.

• Das von den Parteien angerichtete Chaos Grundsteuerreform, welches nach verschiedenen Verfassungsrechtlern (zuletzt Prof. Kirchhof) auf ganz erhebliche Bedenken stößt, ist ein enormes zusätzliches Risiko, für welches die Verwaltung einen Plan B erarbeiten sollte.

• Wollte man das Jahresergebnis 2025 (-11,8 Mio. €) durch Grundsteuererhöhungen auffangen, müsste die Grundsteuer für Wohnen von 808 % auf 1612 % und für Nichtwohngrundstücke von 1340% auf 2600 % erhöht werden. Undenkbar, aber irgendwer muss es irgendwann bezahlen.

Knapp 200 Millionen kosten uns die drei Großprojekte: Gymnasium, Feuerwehr, Grundschule. Die Feuerwehr wird auf 70 Jahre abgeschrieben, die Schulen sogar 80 Jahre. Dabei hat das Gymnasium Erkrath keine 60 Jahre gehalten... . Auch da machen wir uns was vor. Bernhard Osterwind: "Die >Blutspur< der Finanzpolitik der 20 er Jahre wird noch Jahrzehnte im Erkrather Rathaus sichtbar sein."

Die Verwaltung hat den Auftrag des Rates, von der BmU betrieben, vor Eintritt der gesetzlichen Haushaltssicherung ein Freiwilliges Haushaltsoptimierungskonzept vorzulegen. Sie kommt dem Auftrag erst gar nicht nach.

Noch nicht mal ein Haushaltssicherungskonzept ist noch möglich (Bedingung ist: Haushaltsausgleich nach spätestens 10 Jahren siehe §76 Abs.2 GO NRW).

Je länger man das verschleppt, umso schwieriger wird die Kurskorrektur.

Was kommt dann?

Direkt in den Nothaushalt.

"Nothaushalt" ist die Haushaltsführung ohne genehmigten Haushaltsplan oder genehmigtes Haushaltssicherungskonzept.

Das "Wachkoma" einer Stadt:

Die Zuschüsse für Stellarium, SKFM, CSD usw. gehören zu den letzten Korken, die dieser Rat knallen lässt.

Das wird im Nothaushalt nicht mehr ohne weiteres zulässig sein.

Dann darf nur noch das gesetzlich Zwingende an Maßnahmen finanziert werden. Anschlussfinanzierungen diverser sozialer Projekte, Stellarium usw. sind dann nicht mehr oder nur unter Auflagen mit Genehmigung der Kommunalaufsicht möglich und den Kindern und Schülern können wir nur noch ein Minimum bieten.

Auch Klimaschutz gehört nicht zu den Pflichtaufgaben einer Kommune.

Nach § 82 Abs. 1 Nr. 1 GO NRW darf die Nothaushaltsgemeinde ausschließlich
„Aufwendungen entstehen lassen und Auszahlungen leisten, zu denen sie rechtlich
verpflichtet ist oder die für die Weiterführung notwendiger Aufgaben unaufschiebbar sind;
…“.

Keinesfalls dürfen rechtliche Verpflichtungen erst geschaffen werden. Im Gegenteil: Sie sind bei freiwilligen Leistungen möglichst zu kündigen.

Genaueres ist hier nachzulesen: Informationen zum Nothaushaltsrecht:

Die Gemeinde hat ihre Möglichkeiten zur Reduzierung ihrer Aufwendungen durch
Veräußerung von Vermögen zur Konsolidierung des Haushalts verstärkt zu prüfen.

Die Förderung von Investitionsmaßnahmen in Nothaushaltsgemeinden unterliegt
ausnahmslos der Zustimmung der Bezirksregierung. …

Auf die Beförderung von Beamtinnen und Beamten, die leistungsorientierte Besoldung und
die Feuerwehrzulage besteht kein Anspruch. …

Nach Eintritt des Nothaushaltsrechts ist eine allgemeine Sperrfrist für Beförderungen von
mindestens zwei Jahren einzuhalten.

Gemeinden in der vorläufigen Haushaltsführung haben den bisherigen
Umfang freiwilliger Leistungen zu reduzieren. Dabei ist die Kündigung
bestehender rechtlicher Verpflichtungen einzubeziehen.

Großes Sorgenkind sind die Stadtwerke.

Vor drei Jahren haben wir allen Aufsichtsratsmitgliedern zu Protokoll gegeben, dass wir die Geschäftsführung für überfordert halten.

Deutlich sichtbar war das schon beim Glasfasernetz, als der BmU-Antrag auf Inanspruchnahme der Bundesförderung (100% Finanzierung) abgelehnt wurde, nur um das Monopol zu behalten. Wir hätten heute auch in den Randgebieten Erkraths überall Glasfaser. Jetzt geht das mangels Eigenkapital nur im Schneckentempo.

Mit der Übernahme des Fernwärmenetzes waren die Stadtwerke in dieser Aufstellung endgültig und völlig überfordert.

Das war beim Kauf der Fernwärme in Nacht und Nebel sofort absehbar.

Erst Recht zeigt die Dekarbonisierung die völlige fachliche und finanzielle Überforderung. Unsere Hinweise auf die Möglichkeiten der Tiefengeothermie sind fünf Jahre lang ignoriert worden. Jedes Jahr, welches die Tiefengeothermie später kommt kostet die Kunden höhere CO2-Abgaben und pro kW/h ca. 4 Cent.

Bei uns beschweren sich Kunden, die auch jetzt noch keine Abrechnung für 2023 bekommen haben und denen damit erhebliche Rückzahlungen vorenthalten werden. Verbräuche wurden geschätzt – was unzulässig ist – und trotzdem z.T. sogar ein Vielfaches (!) des Messpreises in Rechnung gestellt. Es kam auf den Rechnungen z.T. zu einer Verdreifachung der Anzahl der Zähler und deren Gebühren usw. . Vergeblich haben wir beantragt, dass der Aufsichtsrat der Stadtwerke die unsäglichen Preissteigerungsformeln auf die Tagesordnung nimmt und faire Preise beschließt. Jüngst wurde einem Kunden verweigert, einen Antrag auf Anschlusssenkung per Brief abzugeben. Er wurde gezwungen, sich Hilfe für eine digitale Antragstellung zu suchen. Jetzt kommt die Kostenexplosion bei der E-Mobilität hinzu.

Für die Dekarbonisierung brauchen die Stadtwerke eigentlich dringend Eigenkapital. Stattdessen entnimmt eine politische Mehrheit sogar Teile des Stadtwerkegewinns.

Die Probleme sind damit noch lange nicht umfassend genug beschrieben.

Unglaublich, dass die Mehrheit dieses Hauses das so laufen lässt.

Fazit

• Nie seit Kriegsende 1945 hat ein Stadtrat in Erkrath der kommenden Generation eine so schwere Finanzlast aufgebürdet.

• Nie waren wir handlungsunfähiger gegen Ursachen und Folgen des Klimawandels.

• Die BmU lehnt den Doppelhaushalt 2024/2025 wie den Nachtragshaushalt 2025 energisch ab, da es an einem notwendigen und umfangreichen Sparprogramm fehlt. Schülerinnen und Schüler in der Offenen Ganztagsschule auf Klappstühlen in den Schulflur zu setzen (Quelle Seite 3), erlaubt einen Blick in die Zukunft der Schülerinnen und Schüler unserer Stadt. Das müssen wir verhindern.

• Dem Sparprogramm muss nach Möglichkeit durch die Ansiedlung ausschließlich sehr steuerkräftigem Gewerbe auf der Neanderhöhe, deren Planung wir beantragt und erst ermöglicht haben, erträglichere Grenzen gesetzt werden.

 

Unsere Forderung an das Land (NRW wie Bund):

• Weniger Bürokratie für Kommunen und Gewerbe.

• Höherer Einkommensteueranteil (von 17% auf 22,5 %) der Kommunen.

• Freistellung der Kommunen von den Kosten der Eingliederungshilfen.

• Freistellung der Kommunen von den Kosten der Flüchtlingsunterbringung.

• Rechtssicheres Grundsteuermodell

• Altschuldenhilfe (150 Mio. €) für Erkrath.

Bernhard Osterwind 25.02.2025