Die eigentliche Stadtgründung! Ein jahrelanger Kampf.
Genau vor 50 Jahren wurden die Kommunen in ganz NRW neu "gegliedert". Erkrath brachte den kleineren Teil in das "Neue" Erkrath ein, verlor sogar das fest verbundene Unterbach. Eigentlich wurde das moderne Erkrath am 1.1.1975 neu gegründet. Ganz anders als heute gingen Bürgerinnen und Bürger aus Hochdahl, Haan, Alt-Erkrath, Gruiten, Monheim "auf die Straßen" insbesondere von Düsseldorf. Sie waren die eigentlichen Gründerväter, denn die Landesregierung hatte anderes im Sinn. Breite Teile der Bürgerschaft interessierten sich noch für ihre Kommune und griffen aktiv - nicht nur in der Frage der Neugliederung - ein.
1970 - 1975 hatte eine Aufbruchstimmung demokratischer Selbstbestimmung weite Teile der Bevölkerung erfasst.
Das "zentralörtliche Gliederungsprinzip" war in aller Munde, eine Schülergeneration brütete im Unterricht über ihre Referate dazu und die Städte suchten - manchmal krampfhaft - nach Merkmalen ihrer Zentralität. 1966 erst war Erkrath zur Stadt erhoben. Dass es mit der "Neuen Stadt Hochdahl" nicht so weiterging war klar: Hochdahl mit seiner "geplanten Stadt" gehörte zum Amt Gruiten, aber die Amtsverfassung wurde als Gliederungsebene komplett abgeschafft. Als Innenminister Hirsch Alt-Erkrath besuchte, waren Bismarkstraße/ Bahnstraße voller protestierender Menschen. Er hatte vorher Erkrath mit dem Helikopter überflogen, um sich ein Bild von der "zentralörtlichen" Struktur zu machen. Die Stimmung schlug punktuell in Hass um. Der damalige CDU-Fraktionsvorsitzende begrüßte den FDP-Innenminister (es war die hohe Zeit sozialliberaler Koalitionen) im Alt-Erkrather Rathaus auf der Seitentreppe an der Bismarkstraße mit dem abgewandelten Stalin-Wort: "Innenminister kommen und gehen". Wenn man das Wort Innenminister durch Hitler ersetzt, hat man das Stalinwort. Das Foto zeigt Bürgermeister Kiefer mit Megaphon auf der Rathaustreppe, im Vordergrund erkennt der Kenner den Leiter der Erkrather Polizeistation Vogel.
Die Landesregierung wollte ursprünglich den gesamten Kreis Mettmann an die umliegenden Großstädte verteilen. Düsseldorf forderte die Eingemeindung von Ratingen, Mettmann, Erkrath, Hochdahl Haan und Monheim in die Landeshauptstadt. Es sei nur gerecht, wenn die Umlandgemeinden die Oper auch mitbezahlen. Die Bürgerinitiative "Wir bleiben WIr", Vorsitzender Bernhard Osterwind sen., schrieb in Erkrath jeden (!) Wahlberechtigten an und ließ ihn abstimmen, ob er für oder gegen die Eingemeindung war. Ein prominenter Befürworter der Eingemeindung nach Düsseldorf war allerdings der Hochdahler Bürgermeister Tünnemann (SPD), der seiner Partei damit in den Rücken fiel. Letztlich bekam Düsseldorf nur den "reichen" Stadtteil Unterbach, nach gerichtlicher Auseinandersetzung musste Düsseldorf auch Monheim wieder in die Selbstständigkeit entlassen.Düsseldorf spekulierte u.a. darauf, dass ihre Stadtsparkasse die kleinen benachbarten Sparkassen schlucken und damit effizienter wirtschaften wird. Immerhin: Erkrath hatte seine eigene Sparkasse eingebracht. Überhaupt: Erkrath war kleiner aber reicher als das aus dem Boden schießende Hochdahl, das noch nicht mal ein voll ausgebautes Gymnasium hatte. Außerdem neidete der gemeine Hochdahler den Erkrathern den Standort des Rathauses. Phantasten wollten ein neues Rathaus bauen: in Hochdahl oder - höchstens - in die Mitte zwischen Erkrath und Hochdahl. Es ging auch noch doller: Man solle eine Betonplatte über die A 3 spannen und darauf ein gemeinsames Zentrum errichten.
Die Wende brachte insbesondere der junge Landtagsabgeordnete Klaus-Dieter Völker aus Haan, der von seinem Fraktionsvorsitzenden Heinrich Köppler (CDU) carte blanche bekommen hatte und dadurch die CDU an die Existenz des Kreises Mettmann in letzter Sekunde gebunden hat. So konnte die CDU trotz Oppositionsrolle bei der entscheidenden Landtagsdebatte die insbesondere durch die Ruhrgebietsfrage nicht einige SPD-Fraktion neutralisieren. Entschieden wurde das 1973. Erkrather und Hochdahler beäugten sich misstrauisch. Innerhalb von zwei Jahren wurde noch schnell in Hochdahl ein Hallenbad (schon längst wieder abgerissen) gebaut, denn es war klar, mit dem großen Bad in Alt-Erkrath am Brockerberg hätte Hochdahl kein eigenes Bad bekommen. Die Rathäuser ließen es noch mal "krachen" und versuchten auch ihre jeweiligen Beamten in zum Zeitpunkt der Fusion möglichst einflussreiche Positionen zu bringen.
Aus der Fusion von Alt-Erkrath mit der Neuen Stadt Hochdahl wurde praktisch die Neue Stadt Erkrath. Hochdahl brachte viel mehr Einwohner und damit mehr Ratsmandate als Erkrath (incl. Unterfeldhaus) in das neue Gebilde ein. Der "Alt-Erkrather" und der "Hochdahler" waren völlig unterschiedliche "Typen". Während die Erkrather viel im Tennisclub "regelten" (und das in Fraktionsvorsitzendenrunden, meist immer noch im Tennisclub, lange beibehielten, hatten die Hochdahler - die dort oft weniger als 10 Jahre wohnten - (die Erkrather zählten eher in Generationen die Ansässigkeit) schon durch "Hearings" Basisdemokratie geschnuppert. Der Riss ging quer durch die Parteien und man einigte sich oft auf den rheinischen Minimalkonsens: Wenn Erkrath den Stadtdirektor (Peters) stellt, stellt Hochdahl den Bürgermeister (unerwartet wurde Kiefer, vorher CDU-Fraktionsvorsitzender in Hochdahl - gewählt).
1976 nahm Düsseldorf noch mal einen Anlauf, Erkrath (incl. Hochdahl) einzugemeinden.
Schade. Ein gründlicher Blick zurück, eine Aufarbeitung des strukturell Gelungenen wie eine Defizitanalyse fehlt in unserer politisch so oberflächlich, hastig gewordenen Kommunalpolitik.
Das Ereignis ist weder im Rathaus noch in der Presse gründlich aufgegriffen worden. Nur wer weiß, wo er herkommt weiß, wo er hin kann.